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Heute im Planungsausschuss: Windenergie in Marl

17.11.2016

Planungsamt stützt grünen Antrag durch Beschlussvorlage – Hohe Ansprüche an Politiker sind erforderlich

In einem Beschlussvorschlag macht die Verwaltung deutlich, dass die Aufstellung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen an Voraussetzungen gebunden ist, die nicht nur einer gutachterlichen Untersuchung bedürfen – wie in einem Antrag der Grünen Wählergemeinschaft verlangt -, sondern mit einer ganzen Reihe von Auflagen verbunden ist. Die Verwaltung schreibt u.a.: „Die Gemeinde darf den Flächennutzungsplan nicht als Mittel benutzen, unter dem Deckmantel der Steuerung von Windkraftanlagen solche Anlagen in Wahrheit zu verhindern. Die Planung zur Steuerung der Windenergienutzung ist keine Standard-Aufgabe, sondern nur in einem interaktiven Planungsprozess gemeinsam mit eventuellen Investoren, Grundeigentümern, betroffenen Bürgern und den Politikern zu bewältigen. An die Rats- und Ausschussmitglieder werden besonders hohe Ansprüche gestellt.“ – Lesen Sie den grünen Antrag und die Verwaltungsvorlage im Wortlaut!

Antrag an den Stadtplanungsausschuss betr. Ausweisung von Konzentrationszonen für die Errichtung von Windenergieanlagen

Der Rat beschließt:

Für den Fall der Neuausweisung von Konzentrationszonen für die Errichtung von Windkraftanlagen wird eine das gesamten Stadtgebiet umfassende gutachterliche Bewertung erstellt mit dem Ziel, die Eignung von Flächen für Windkraftanlagen in Marl festzustellen.

Begründung:

Für den Fall, dass es rechtlich möglich sein sollte, nach Aufhebung der Konzentrationszonen, die in der Vergangenheit zur Verhinderung der Errichtung von Windenergieanlagen in Marl geführt haben, erneut entgegen der bestehenden Regelung Konzentrationszonen einzurichten und im Flächennutzungsplan festzuschreiben, ist eine gutachterliche Bewertung des gesamten Stadtgebietes bzgl. der Eignung solcher Flächen zur Errichtung von Windkraftanlagen durchzuführen. Ein solches Verfahren ist notwendig, wenn die Ausweisung von künftigen Konzentrationszonen nicht als Verhinderung von Windkraftanlagen auf Marler Stadtgebiet verstanden werden soll. In diesem Zusammenhang verweisen wir einerseits auf die von verschiedenen Fraktionen geäußerte Auffassung, dass man sehr wohl für Windenergie sei, aber politisch mitbestimmen wolle, an welcher Stelle im Stadtgebiet solche Anlagen errichtet werden sollen, andererseits auf die im Klimaschutzkonzept der Stadt Marl festgeschriebene Aussage, aktiv an der Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe mitwirken zu wollen. Letzteres ist nicht nur klimapolitischer Grundsatz in Bund und Land, sondern dokumentiert sich auch in der Teilnahme der Stadt am European Energy Award und in der Mitgliedschaft der Stadt im Klima-Bündnis.

Für die Fraktion

Paul Wagner und Johannes Westermann

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Beschlussvorschlag des Planungsamtes

Die Verwaltung wird beauftragt, eine Potentialflächenanalyse für das Marler Stadtgebiet durch einen Gutachter erstellen zu lassen.

Sachverhalt

1. Zur Historie

Mit dem mehrheitlichen Ratsbeschluss vom 09.02.2012 zur Änderung des Flächennutzungsplans und der Zustimmung des Rates zur 97. Änderung des Flächennutzungsplans vom 13.12.2012 (s. Vorlage Nr. 2012/0488, Änderung Nr. 97 des Flächennutzungsplans der Stadt Marl: Aufhebung Konzentrationszone für Windenergie) hat die Stadt Marl die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, Windenergieanlagen als Einzelanlagen im Stadtgebiet zuzulassen.

Einzelanlagen mit einer Höhe ab 50 Metern unterliegen dem Genehmigungs- und Anzeigeverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, Genehmigungsbehörde ist in diesem Fall der Kreis Recklinghausen. Die Stadt Marl wird in diesen Verfahren als Träger öffentlicher Belange beteiligt (das Verfahren läuft bei der Stadt Marl über das hier zuständige Bauordnungsamt). Die Stadt Marl ist darauf beschränkt, im Rahmen des § 36 BauGB geltend zu machen, dass einem bestimmten Vorhaben öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauGB entgegenstehen. Die Versagung des Einvernehmens darf nur aus Rechtsgründen erfolgen (planungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Belange, dies wären zum Beispiel entgegenstehende Planungen, wie z.B. Baugebiete, Verkehrstrassen etc.). Bei rechtswidriger Versagung des Einvernehmens muss die Gemeinde mit der Ersetzung ihres Einvernehmens durch die Genehmigungsbehörde rechnen.

Soweit die Stadt Marl Grundstückseigentümer einer für den Bau in Frage kommenden Fläche ist bzw. einer angrenzenden Fläche kann im Einzelfall die möglicherweise erforderliche Zustimmung zur Erteilung von Baulasten (Abstandsflächen, Erschließung) abgelehnt werden.

Dieses gilt jedoch nicht für die Eintragung von Baulasten von anderen angrenzenden Grundstückseigentümern, diese sind bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen in das Baulastenverzeichnis einzutragen.

Zurzeit befinden sich vier genehmigte Windenergieanlagen auf Marler Stadtgebiet:

– in Sinsen (1)

– auf der Halde Brinkfortsheide (2)

– zwischen Alt-Marl und Polsum (1).

Folgende Anlagen sind geplant bzw. befinden sich bereits im Genehmigungsverfahren:

-nördlich des Schachtes Polsum (ELWEA)

-westlich des Schachtes Polsum (SL Windenergie)

-Schachtanlage 1 Polsum (RAG Montan).

Der Stand der Verfahren ergibt folgendes Bild:

ELWEA:

Es fehlt noch die Abstandsflächen – Baulast wegen der fehlenden Unterschrift eines privaten Eigentümers. Frau Doertelmann, Geschäftsführerin der ELWEA, hat am 04.11.2016 fern-mündlich angekündigt, dass dieser Tatbestand in Kürze geklärt wird. Des Weiteren fehlt der 3. Prüfbericht des geologischen Sachverständigen zur Bewertung der vorhandenen Bodenschichten und ihrer Tragfähigkeit. Für dieses Bauvorhaben liegt ein positiver Ratsbeschluss vor. Mit Eingang der fehlenden Bauvorlagen wird das Einvernehmen der Ämter nach § 36 BauGB erteilt werden.

SL – NATURENERGIE

Die Stadt Marl prüft, ob der Bauantrag durch Versagen einer Abstandsflächenbaulast für das betroffene Teilstück der Hülsdauer Straße abgelehnt werden kann. Der Kreis als Genehmigungsbehörde hat für dieses Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt. Das Verfahren zur Erteilung des Einvernehmens der Ämter ist gestoppt.

RAG Montan Immobilien GmbH

Die Stadt Marl prüft, ob der Bauantrag durch Versagen einer Abstandsflächenbaulast für das betroffene Teilstück der Straße „Im Dörnen“ abgelehnt werden kann. Der Bauantrag liegt dem Kreis Recklinghausen als Genehmigungsbehörde noch nicht vollständig vor. Fehlende Untersuchungen zur Avifauna erfolgen gemäß Auskunft des Antragstellers erst in 2017. Das Verfahren zur Erteilung des Einvernehmens der Ämter ist gestoppt. Die Gutachten der drei Antragsteller zur optisch bedrängenden Wirkung sind aus Sicht des Bauordnungsamtes sehr detailliert und orientieren sich strikt an den Vorgaben eines Urteils des OVG Münster aus dem Jahr 2006. Sie lassen keine Ansatzmöglichkeit zwecks Versagens der Baumaßnahme erkennen, zumal die Antragsteller mit möglicherweise betroffenen Eigentümern auf privatrechtlicher Basis Kompensationsmaßnahmen aushandeln können. An die erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes werden seitens des Gesetzgebers hohe Anforderungen gestellt.

Gemäß aktuellem WEA Erlass sind Windenergieanlagen auch im Außenbereich privilegierte Maßnahmen. Selbst in Landschaftsschutzgebieten muss ihnen gemäß einschlägigen Urteilen des OVG Münster Raum gegeben werden.

Die Antragsteller haben dieser Situation durch Vorlage eines landschaftspflegerischen Begleitplans Rechnung getragen.

Die Vorstellung der Anlagen ELWEA und SL Windenergie erfolgte jeweils im Stadtplanungsausschuss.

2. Heutige Situation

Der Bundesgesetzgeber hat in § 35 Abs. 1 BauGB vorgesehen, dass der gesamte Außenbereich für den Bau von Windenergieanlagen als sog. privilegierte Nutzung grundsätzlich offenstehen soll. In § 35 Abs. 3 BauGB hat er den Gemeinden zugleich die Möglichkeit eröffnet, die Windenergienutzung planerisch zu steuern und Windenergieanlagen in Zonen zu konzentrieren und damit an anderer Stelle auszuschließen.

Für die Fälle, in denen die Gemeinde keine Konzentrationszonen für die Windenergie ausgewiesen hat, ist über die Vereinbarkeit von Landschaftsschutz und Windenergienutzung im Genehmigungsverfahren zu entscheiden. Weisen Gemeinden Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan aus, sind mögliche Konflikte im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Landschaftsschutz und Windenergienutzung bereits auf Ebene der Planung ausgeräumt worden. Der neue Windenergieerlass vom 04. November 2015 sieht vor, dass innerhalb der Konzentrationszonen landschaftsrechtliche Belange einer Windenergienutzung dann nicht mehr entgegenstehen. Bei einer neuerlichen Ausweisung einer Konzentrationszone sind die vorhandenen Anlagen mit ihren jeweiligen Standorten bei der Prüfung zu berücksichtigen.

3. Weitere Vorgehensweisen

Mit der aktuell geltenden Privilegierung der Windenergienutzung im Marler Stadtgebiet wurde bislang dem Windenergieausbau durch Einzelfallentscheidungen Rechnung getragen.

Nunmehr ist es der politische Wille, durch Einrichtung einer oder mehrerer Konzentrationszonen den Bau von Windenergieanlagen im Marler Stadtgebiet zu steuern. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren mit zahlreichen Urteilen zu verschiedenen Aspekten der Windenergie-Planung deutlich auf die Inhalte einer derartigen Steuerung Einfluss genommen. Die Gemeinde darf den Flächennutzungsplan nicht als Mittel benutzen, unter dem Deckmantel der Steuerung von Windkraftanlagen solche Anlagen in Wahrheit zu verhindern.

Im Gegensatz zu den ersten Planungen von Konzentrationszonen (s. ehemalige Zone zwischen Alt-Marl und Polsum) ist der Planungsvorgang für eine Konzentrationszone heute durch höchstrichterliche Urteile streng reglementiert. In jedem Fall bedarf es eines städtebaulichen Gesamtkonzepts für das Stadtgebiet, das den Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch aufgreift und berücksichtigt.

Ob eine Steuerung mittels Konzentrationszonen überhaupt möglich ist, kann erst rechtssicher beantwortet werden, wenn man in einer gesamtkonzeptionellen Studie, sogenannte „Potential-Flächen-Analyse“, die Möglichkeiten der Umsetzung einer oder mehrerer Konzentrationsflächen gutachterlich bewertet hat.

Wesentlich ist insbesondere die Feststellung der technischen Eignung von Standorten im Hinblick auf Windhöffigkeit und Effizienz. Für das gesamte Planungsgebiet ist zu ermitteln, welche Bereiche sich aufgrund ihrer Windhöffigkeit für die Windenergienutzung eignen.

Erst wenn diese Flächen ermittelt sind, kann das für eine Konzentrationszone vorgesehene Gebiet näher festgelegt werden, so dass ein förmlicher Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Flächennutzungsplanes bzw. eines Teilflächennutzungsplanes gefasst werden könnte, welcher wiederum die Voraussetzung für eine Zurückstellung des Baugesuches wäre.

Für den Erlass einer Veränderungssperre ist der Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplanes erforderlich, aber auch für diesen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht verdeutlicht, dass der Erlass einer Veränderungssperre voraussetzt, dass der Inhalt des Bebauungsplanes mit einem Mindestmaß konkretisiert und absehbar sein muss (BVerwG Urteil vom 19.02.2004, AZ 4 CN 16.03). Die Verwaltung ist daher der Auffassung, dass solange die Potential-Flächen-Analyse nicht vollständig erbracht ist, keine Möglichkeiten bestehen öffentlich-rechtlich Einfluss zu nehmen auf die Genehmigungsverfahren bei der Immissionsschutzbehörde.

Die Planung zur Steuerung der Windenergienutzung ist keine Standard-Aufgabe, sondern nur in einem interaktiven Planungsprozess gemeinsam mit eventuellen Investoren, Grundeigentümern, betroffenen Bürgern und den Politikern zu bewältigen.

An die Rats- und Ausschussmitglieder werden besonders hohe Ansprüche gestellt. In verschiedenen Urteilen fordern die Obergerichte eine ausreichende Begründung und Dokumentation der für das Planungskonzept maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen und Abwägungsgründe.

Ein transparenter und dokumentierter Abwägungsprozess setzt entsprechende Abwägungsmöglichkeiten voraus. Auch dies ist Teil einer Potenzialflächenanalyse.

4. Potenzialflächenanalyse

Das Planungskonzept muss in einem zweistufigen Verfahren erarbeitet werden. Das gesamte Gemeindegebiet ist zunächst auf sogenannte Tabu-Kriterien zu untersuchen. Zuerst sind die Flächen zu ermitteln, auf denen die Errichtung von Windkraftanlagen schlechthin ausgeschlossen ist, sog. harte Tabu-Flächen. Weiche Tabu-Flächen sind solche, die rechtlich und tatsächlich für die Windenergienutzung in Betracht kommen, allerdings kann bei diesen Flächen die Gemeinde nach ihren städteplanerischen Vorstellungen selbst festlegen, diese nicht für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen. Diese weichen Kriterien müssen städtebaulich begründet sein, anderenfalls liegt ein Abwägungsmangel vor.

Bei der Entscheidung, in welchem Umfang und wo Konzentrationszonen schließlich festgelegt werden, muss die Gemeinde berücksichtigen, dass sie mit ihrer Konzentrationszonenplanung die Windenergienutzung innerhalb des Gemeindegebietes nur so weit beschränken

darf, dass der Windenergie noch substanziell Raum gegeben wird. Weiterhin ist bei der Potenzialflächenanalyse eine ökologische Erstbewertung durchzuführen.

Die ökologische Ersteinschätzung dient als Anhaltspunkt für die grundsätzliche Machbarkeit aus ökologischer Sicht und als Arbeitsprogramm für vertiefende Untersuchungen. Bereits die Unterscheidung zwischen harten und weichen Tabuthemen bedarf in der Regel einer politischen Entscheidung.

Es ist also erforderlich, dass die Planung nicht nur einen fachlich begründeten Vorschlag beinhaltet, sondern das Entscheidungsspektrum aufzeigt, in welchem sich die Abwägung bewegen kann/sollte (= politischer Abwägungsprozess).

Vor diesem Hintergrund schlägt die Verwaltung als ersten Schritt vor, durch ein externes Büro eine Potenzialflächenanalyse für das Stadtgebiet erstellen zu lassen (Dauer ca. 6 Monate). Erfahrungen aus anderen Städten/Projekten zeigen, dass solch eine Analyse kostenmäßig zwischen 25.000 € und 30.000 € liegen dürfte. Hinzu kämen eventuell Kosten für Arbeitstermine mit Fraktionen, Investoren und Interessengruppen, Bürgerinformationsveranstaltungen und evtl. weitere Sitzungen mit Politik/Verwaltung.

Die benötigten Haushaltsmittel werden kurzfristig über den Änderungsdienst zum Haushalt 2017 angemeldet. Weitere Schritte/Untersuchungen hängen von dem Ergebnis der Potential-Flächen-Analyse ab.

Ferner hat die Verwaltung bereits ein Rechtsanwaltsbüro beauftragt, die hier beabsichtigte Vorgehensweise juristisch zu begleiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zu begleiten.

 

 

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