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Stadt lehnt Halde ab

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Stadt widerspricht Regionalplanung

aus der Stellungnahme der Stadt Marl zu den Zielen und Grundsätzen zum Thema „Abfallbeseitigung / Abfallbehandlungsanlagen“

In den zeichnerischen und textlichen Festlegungen des Entwurfes des Regionalplanes Ruhr mit Stand April 2018 wird die Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung am Standort Marl als zweckgebundene Nutzung „Aufschüttung und Ablagerung“ mit der Zweckbindung „Abfalldeponie“ als Vorranggebiet ohne die Wirkung von Eignungsgebieten ausgewiesen.

Diese Festlegungen werden seitens der Stadt Marl aus den nachfolgenden Gründen abgelehnt.

Die Stadt Marl fordert den RVR daher auf, in den textlichen und zeichnerischen Festlegungen für die Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung am Standort Marl die zweckgebundene Nutzung „Aufschüttung und Ablagerung“ mit Zweckbindung „Abfalldeponie“ zu streichen und in Hinblick auf das hier geplante IGA-2027-Projekt (die Halde ist bereits für die IGA 2027 angemeldet) durch die Festlegung „Freiraumbereich mit der zweckgebundenen Nutzung Freizeiteinrichtung“ zu ersetzen.

Begründung: Die zeichnerische und textliche Festlegung der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung am Standort Marl als zweckgebundene Nutzung „Aufschüttung und Ablagerung“ mit der Zweckbindung „Abfalldeponie“ im Regionalplanentwurf verstößt gegen zwingende Rechtsvorschriften und wird den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung nicht genügen können. Dies liegt darin begründet, dass es zum einen für die Schaffung weiterer Deponiekapazitäten im Geltungsbereich des Regionalplanes Ruhr entgegen der „Abschätzung des Bedarfs an DK I-Deponiekapazitäten für den Geltungsbereich des Regionalplans Ruhr“ vom 07.02.2018 an der Erforderlichkeit fehlt.

Mit Blick auf die Bedarfsanalyse ist zunächst zu bemängeln, dass für die Abschätzung des zukünftigen Bedarfs an DK I-Deponiekapazitäten die im Rahmen der Bedarfsanalyse auf Basis des Szenarios „höherer Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten“ prognostizierten Mengen und damit eine Zunahme der zu deponierenden Mengen zugrunde gelegt wurden, obwohl nach dem „Abfallwirtschaftlichen Fachbeitrag zum Regionalplan Ruhr“ vom 24.08.2017 das Status quo-Szenario unter den derzeitigen Rahmenbedingungen als am wahrscheinlichsten anzusehen ist.

Warum an dieser Stelle (vgl. S. 190 der Begründung zum Regionalplanentwurf) das Szenario „höherer Bedarf an DK I-Deponiekapazitäten“ herangezogen wird, ist demzufolge nicht nachvollziehbar. Vielmehr wird in der Begründung zum Regionalplanentwurf auf die beiden Unterlagen „Abfallwirtschaftlicher Fachbeitrag zum Regionalplan Ruhr“ vom 24.08.2017 und zur „Abschätzung des Bedarfs an DK I-Deponiekapazitäten für den Geltungsbereich des Regionalplans Ruhr“ vom 07.02.2018 lediglich ungeprüft Bezug genommen.

Mit Blick auf diese Unterlagen beruhen die Darstellungen des „höheren Bedarf-Szenarios“ auf zumindest überholten Annahmen. So wird hierin angeführt, dass u.a. durch die geplante Mantelverordnung und andere Vorgaben ein Rückgang bei der stofflichen Verwertung von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen hin zu einer Stoffstromverschiebung in DK I-Deponien erwartet wird. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass der Einsatz von Ersatzbaustoffen an Akzeptanz verlieren würde.

Diese im Planungsprozess der Regionalplanung nicht zu rechtfertigenden Mutmaßungen verkennen zum einen, dass es in den Ländern derzeit durchaus Bestrebungen gibt, die stoffliche Verwertung von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen weiterhin zu ermöglichen und insoweit auch der Ausschluss solcher Abfälle im Rahmen von Auftragsvergaben zunehmend hinterfragt und auch aufgegeben wird.

Zudem wird ,auch eine aktuellere Antwort der Bundesregierung vom 18.12.2018 (vgl. BT-Drs. 19/6567) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion außer Acht gelassen, in der u. a. ausgeführt wird, dass mit einer Einführung der Mantelverordnung vergleichsweise mehr mineralische Abfälle als Ersatzbaustoff verwertet werden könnten. Daher geht die Bundesregierung ihrer Antwort zufolge davon aus, dass die Recycling- und Wiederverwendungsquoten mit Einführung der Mantelverordnung ihr hohes Niveau mindestens halten können. Aus der Antwort der Bundesregierung geht außerdem hervor, dass diese in Folge einer Verabschiedung der Mantelverordnung keine vermehrte Verbringung mineralischer Abfälle in andere EU-Mitgliedstaaten erwartet, da die Grenzwerte für Schadstoffe bei der Verwertung mineralischer Abfälle in Deutschland durch die Mantelverordnung nicht verschärft werden. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass weiterhin nicht absehbar ist, ob und wenn ja wann die Mantelverordnung überhaupt verabschiedet wird.

Demzufolge sind derzeit nach wie vor die bereits bestehenden landesrechtlichen Regelungen anwendbar, die eine verschärfende Stoffstromverschiebung in Deponien der Deponieklasse I nicht erkennen lassen.

Darüber hinaus sprechen gegen diese Annahmen auch die auf Europäischer und Bundes- und Landesebene verabschiedeten Regelungen, die der Abfallhierarchie, die die Beseitigung lediglich als letzte Stufe vorsieht, mehr Nachdruck verleihen sollen und werden. Zu nennen ist hier bspw. die novellierte GewAbfV, bei der eine Stoffstromverschiebung hin zu mehr stofflicher Verwertung erwartet wird sowie das Europäische Kreislaufwirtschaftspaket, das bis zum Jahr 2020 in das nationale Recht umzusetzen ist. Auch dieses Paket hebt den Vorrang der Verwertung nochmals ausdrücklich hervor, was u. a. auch mit dessen Zielsetzung einer weiteren deutlichen Reduzierung der Deponierung von Abfällen einhergeht.

Demzufolge ist das im Regionalplanentwurf herangezogene „höherer Bedarf-Szenario“ im Ergebnis zumindest nicht mehr aktuell, zumal weniger wahrscheinlich.

Überdies berücksichtigt die Bedarfsanalyse nicht in dem gebotenen Maße, dass zwischenzeitlich zahlreiche entsprechende Vorhaben planfestgestellt sind (u.a. Deponie Datteln) und/oder bereits entsprechende Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.

Die Verwirklichung dieser zusätzlichen Vorhaben im Regierungsbezirk Münster ist indes derart wahrscheinlich, dass das Vorhaben der Errichtung und des Betriebes einer Deponie am Standort Marl entbehrlich, d.h. nicht erforderlich ist. Auch hier ist daher zu bemängeln, dass die Grundlagen zur Ermittlung des Bedarfes veraltet sind und die aktuelle Wirklichkeit nicht bzw. nicht mehr abbilden.

Des Weiteren fehlt es im Planentwurf an einer Auseinandersetzung mit dem Aspekt des Näheprinzips. Das Näheprinzip fordert u.a. eine Abfallentsorgung mit möglichst kurzen und die Bevölkerung schonenden Transportwegen. Innerhalb von NRW verlangt das Näheprinzip jedoch keinesfalls eine zwingende Entsorgung innerhalb der Grenzen eines Regierungsbezirks.

Nur zu deutlich wird dies an dem für das Land Nordrhein-Westfalen vorliegenden Abfallwirt-schaftsplan (Teilplan „Siedlungsabfälle“), der Entsorgungsregionen definiert, die losgelöst von den Grenzen der Regierungsbezirke bestehen und gerade der Umsetzung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und -nähe dienen (vgl. S. 11 des Abfallwirtschaftsplanes).

Das Prinzip der Entsorgungsautarkie und -nähe fordert daher keine strenge Ausrichtung bezogen auf die Grenzen der einzelnen Regierungsbezirke in Nordrhein-Westfalen. Vielmehr orientiert sich vorgenannte Vorgabe u. a. an dem Ziel, lange Transportwege zu vermeiden.

Diesem Ziel wird auch in der Darstellung aus der „Bedarfsanalyse für DK IDeponien in Nordrhein-Westfalen“ aus dem Jahre 2014 (vgl. hier S. 82) gefolgt, in dem der Regierungsbezirk Münster und der nordwestliche Teil des Regierungsbezirks Arnsberg den Bilanzierungsraum „Nord“ bilden. In diesem Bilanzierungsraum sind nicht nur DK I-Deponien geplant, sondern es existieren entsprechende Ablagerungskapazitäten in nicht unerheblichem Umfang. Bezogen auf den so gebildeten Bilanzierungsraum kommt die „Bedarfsanalyse für DK IDeponien in Nordrhein-Westfalen“ dabei zu dem folgenden Ergebnis (S. 89):

„Im Regierungsbezirk Münster ist der Bedarf an DK I-Deponievolumen besonders akut. In der Region Nord dagegen stünde für 88 Prozent der prognostizierten bis zum Jahr 2030 auf DK I-Deponien abzulagernden Abfällen Deponievolumen zur Verfügung. Es würde sich ein Ablagerungszeitraum ergeben, der bis zum Jahr 2029 reicht.“

Demnach ist zu berücksichtigen, dass bspw. für im Regierungsbezirk Münster bestehenden Bedarf an DK-I-Kapazitäten in der Nähe Deponievolumen zur Verfügung stehen. Eine Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung der in den einzelnen Regierungsbezirken bestehenden Deponiekapazitäten auf Grundlage aktueller Daten findet sich im vorliegenden Planentwurf aber nicht.

Hiervon ausgehend ist die Frage, ob ein Bedarf für die Ausweisung der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung als Deponievorranggebiet gegeben ist, nur unzureichend behandelt worden. Denn die hierfür herangezogenen Bedarfsnachweise basieren auf nicht mehr aktuellen sowie unzureichenden Daten, weshalb sich die Bedarfsprognose im Ergebnis als nicht sachgerecht und fehlerhaft darstellt.

Darüber hinaus verstößt die geplante Ausweisung der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung als Deponiestandort gegen das auch auf raumordnerischer Ebene zu beachtende Erfordernis der Alternativenprüfung. Ernsthaft sich anbietende Alternativlösungen müssen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials berücksichtigt werden und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange Eingang finden.

Vorliegend sind durch den Regionalverband ernsthaft in Betracht kommende Alternativen für das Vorhaben bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Allein der Hinweis auf bergbaulich vorgenutzte Standorte und die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen sowie die unterbleibende Errichtung von Deponien auf unversiegelten Flächen im Freiraum genügen den Anforderungen an eine Alternativenprüfung nicht. Insbesondere drängt sich der Standort in Marl nicht derart auf, dass alternative Standorte nicht ernsthaft in die Betrachtungen hätten einbezogen werden müssen. Es wird daher gefordert, eine entsprechende Alternativenprüfung durchzuführen.

Ferner ist die Ausweisung der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung als Deponiestandort mit dem Ziel 8.3-3 des LEP NRW nicht vereinbar, wonach Standorte für Deponien verkehrlich umweltverträglich anzubinden sind. Da der Transport von Abfällen mit Umweltbelastungen durch Lärm, Staub u.ä. verbunden ist, muss danach bereits bei der Standortsuche die Realisierbarkeit einer umweltfreundlichen und kurzwegigen Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz ein entscheidendes Kriterium darstellen. Unabhängig davon, dass eine Betrachtung von möglichen Alternativstandorten gerade mit Blick auf die Umweltverträglichkeit bislang nicht erfolgt ist, wurde bei der Ausweisung des Standortes nicht berücksichtigt, dass nach der Abstandsliste des Abstandserlasses zu oberirdischen Deponien ein Schutzabstand von 500 m zu Wohngebieten einzuhalten ist. Dieser Abstand wird angesichts der Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe zum Haldengelände in einer Entfernung von lediglich 150 m deutlich unterschritten. Des Weiteren ist nicht zu erkennen, dass der Plangeber entgegenstehende Belange wie den Schutz der Wohnbevölkerung, der Siedlungsentwicklung oder der Freiraumsicherung in seine Planungsentscheidung miteinbeziehen wird. Gleiches gilt für die verkehrlichen und weiteren Umweltbelastungen, die mit einem Deponievorhaben verbunden wären.

Des Weiteren unberücksichtigt geblieben ist, dass die Stadt Marl auf Grund verschiedenster Ansiedlungen (z.B. Logistikzentrum Frentrop, Logistikzentrum Metro, Gate Ruhr mit weiteren geplanten Logistik-Unternehmen, Chemiepark Marl, Saria, Kraftwerksstandort Scholven in Hauptwindrichtung, 2 Autobahnen auf Stadtgebiet) verkehrs- und umwelttechnisch schon außerordentlich stark belastet ist, so dass weitere Belastungen nicht zu verkraften und hinnehmbar sind.

Ebenso wenig wurde bei der bisherigen Planung berücksichtigt, dass der Errichtung und dem Betrieb der Deponie an dem vorgesehenen Standort unüberwindbare Planungshindernisse entgegenstehen. Mit Blick auf die vorangegangenen Ablagerungstätigkeiten ist bislang insbesondere nicht sichergestellt, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Abschlussbetriebsplanes vorliegen und überwiegende öffentliche Interessen der Zulassung entgegenstehen. Insbesondere haben im Bereich der Erweiterung in Bezug auf mögliche Belastungen durch die Haldenschüttung bislang keine Grundwasseruntersuchungen stattgefunden. Die vorhandenen Grundwassermessstellen im Randbereich der Halde Brinkfortsheide sind auf Grund der Lage bzw. des Abstandes zum Haldenkörper für eine qualifizierte Beurteilung des Haldeneinflusses auf die Grundwasserverhältnisse nicht geeignet, um eine etwaige Gefährdungssituation, wie sie sich durch das Hinzutreten des Deponiekörpers ergeben würde, hinreichend abzubilden und zu bewerten.

Vielmehr bedarf es u.a. der Installation weiterer Messstellen. Da mit Blick auf die maßgeblichen Schutzgüter wie u.a. das Schutzgut Wasser durch etwaige Schadstoffbelastungen des Silvertbachs und Sickingmühlenbachs nicht sichergestellt ist, dass von dem Betrieb keine Gefahren für Leben und Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern ausgehen, kann keine Wiedernutzbarmachung der Oberfläche erfolgen, zumal weitere überwiegende öffentlichen Interessen der Zulassung des Betriebsplanes entgegenstehen. Demzufolge verbietet sich eine planerische Ausweisung des Standortes als Abfalldeponie, weil (derzeit) nicht sichergestellt ist, dass die betreffenden Flächen aus der Bergaufsicht entlassen werden können, was Voraussetzung für ein sich anschließendes abfallrechtliches Planfeststellungsverfahren wäre, so dass der Realisierung eines Deponievorhabens unüberwindbare Planungshindernisse entgegenstehen.

Insoweit ist es auch nicht zulässig, diese Konflikte auf raumordnerischer Ebene auszublenden und deren Lösung einem etwaigen abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorzubehalten. Gerade das (vorsorgende) Raumordnungsrecht fordert es, erkennbare Problemstellungen zu erkennen und im Maßstab der raumordnerischen Planung abzuarbeiten, um die Problemstellungen – soweit möglich – zu lösen. Eine bloße Verlagerung auf unter der Raumordnung liegende Planungs- und Zulassungsverfahren verstößt gegen den raumordnerischen Grundsatz, Problemstellungen durch entsprechende planerische Vorgaben zu entschärfen.

Nach alledem wäre die beabsichtigte planerische Ausweisung des Standortes abwägungsfehlerhaft und damit rechtswidrig. Vielmehr hat – entsprechend der im Planfeststellungsbeschluss für den Rahmenbetriebsplan einschließlich des landschaftspflegerischen Begleitplans vorgesehenen Folgenutzung der Flächen als Erholungsgebiet – eine Ausweisung als Freiraumbereich mit der zweckgebundenen Nutzung Freizeiteinrichtung“ zu erfolgen.

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