Mit großer Mehrheit beschloss der Marler Stadtrat in einer von der CDU beantragten geheimen Abstimmung den Haushalt 2024 der Stadt Marl. In den vergangenen Wochen hatte die Wählergemeinschaft Die Grünen immer wieder versucht, die verhärteten Fronten aufzuweichen und den Weg für einen genehmigten Haushalt zu bereiten. Mit Erfolg – in sachlicher Atmosphäre, Ausnahme Michael Sandkühler, der seine Haushaltsrede nutzte um unsachliche Pöbeleien gegen die Wählergemeinschaft Die Grünen zu richten, wurden die verschiedenen Standpunkte erklärt und diskutiert. Warum wir eine Zustimmung zum Haushalt für so wichtig halten, erklärte Beate Kühnhenrich in ihrer viel beachteten Haushaltsrede. Hier der Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Ratskolleg*innen, sehr geehrte Bürger*innen!
„Die Lage war noch nie so ernst“ sagte einmal Konrad Adenauer vor vielen Jahrzehnten. Dass wir als Marler Grüne das Zitat eines umstrittenen CDU-Politikers an den Anfang unserer Haushaltsrede stellen ist sicherlich ungewöhnlich. Die Rolle der CDU bei diesem Haushalt wird noch Platz in unserer diesjährigen Stellungnahme zum Haushalt einnehmen. Das Zitat muss allerdings noch ergänzt werden, denn die Lage wird in den nächsten Jahren noch ernster, manchen erscheint sie sogar in diesem Jahr schon hoffnungslos. Aber ist sie das wirklich? Was bewegt unsere Fraktion, diesem ernsten Haushalt erneut die Zustimmung zu erteilen?
Wenn überhaupt Optimismus angesagt ist, dann beruht er auf dem ständigen Bemühen großer Teile der Politik und der Verwaltung, trotz der finanziellen Probleme, Marl lebenswert und attraktiv zu erhalten, dieser Stadt eine Zukunft zu ermöglichen und die Bürger*innen nicht in einer sterbenden, sondern in einer lebendigen Stadt leben zu lassen.
Lassen Sie mich anhand einiger Aspekte, die den aufmerksamen Beobachter*innen der Marler Politik sicherlich bekannt sind, auflisten, was uns wichtig ist und was trotz der prekären finanziellen Lage der Stadt weiter im Vordergrund steht. Die Auflistung ist keine Reihenfolge, wir versuchen die wichtigsten Punkte kurz zu beleuchten.
Da sind die sozialen Leistungen dieser Stadt. Auch in diesem Jahr sind dort keine nennenswerten Einschränkungen zu vermelden. Obwohl die Lage immer schwieriger wird (steigende Flüchtlingszahlen, zunehmende Verarmung der Bevölkerung, psychische Probleme), zeigt die Stadt weiterhin Verantwortung für ihre Bürger*innen. Störfeuer aus der Politik, die sich z.B. gegen integrative Maßnahmen, gegen pflichtige Maßnahmen im Bereich „Betreuung von Kindern und Jugendlichen“ richten, wurden bisher noch abgewehrt. Hoffen wir, dass die haushaltstragenden Fraktionen standhaft bleiben. Lassen Sie mich hier das beispielhafte Kinder- und Jugendbudget erwähnen, dass leider nicht erhöht werden kann, aber immerhin auch nicht angetastet wird.
Außerdem steht der notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Ausbau von Kindertagesstätten auf dem Programm. Trotz aller Bemühungen ist die notwendige Zahl der Betreuungsplätze noch nicht erreicht, es wird eine zukunftsträchtige, den Haushalt weiter belastende, Investition bleiben. Bei den (zugegebenermaßen) extrem hohen Investitionskosten stechen die geplanten Ausgaben für Schulsanierungen und einem notwendigen und kostenintensiven Schulneubau heraus. Einen Schulneubau hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben – bei der Goetheschule ist er leider notwendig
geworden. Hier kann und darf man nicht einsparen – ein dem Lernort angepasstes Gesamtkonzept sowie eine zeitgemäße energetisch sinnvolle Bauweise darf nicht irgendwelchen Einsparungen geopfert werden. Dieser Neubau birgt neue Bildungschancen und ist daher in diesem Haushalt unverzichtbar.
Die anstehenden Schulsanierungen sind leider längst überfällig. Klagen über Fehler in der Vergangenheit sind zwar berechtigt, aber helfen nicht im Geringsten weiter. Bei aller Vergangenheitsbewältigung und Schuldzuweisungen ,die bei einigen Fraktionen auf der Tagesordnung sind, darf man die zahlreichen
Aufgaben, die in der Zukunft liegen, nicht vergessen und vernachlässigen.
Bleiben die beiden großen Projekte Marschall 66 und Rathaussanierung. Beides zugegebenermaßen umstritten, aber für die Entwicklung unserer Stadt Marl unverzichtbar.
Marschall 66 – ein Meilenstein der Stadtentwicklung, ein kulturelles Highlight sowie ein Begegnungszentrum für alle Marler Bürger*innen. Hoch anerkannt in Fachkreisen, belohnt durch eine stattliche finanzielle Förderung durch Bund und Land. Die Konzeption beispielhaft, die Umsetzung ist im Gange – auf den Eröffnungstermin sollten sich alle freuen. Erfreulicherweise stellen die
Planer*innen Einsparmöglichkeiten in Aussicht. Einige sind schon realisiert, die nicht die Konzeption in Frage stellen. Eine Konzeption, die immer wieder von Kritikern im politischen Raum in Frage gestellt wird. Versuche wurden und werden gestartet, dieses Projekt kaputtzusparen und damit sämtliche
Zuschüsse in Frage zu stellen. Eine populistische Taktik, die die Fertigstellung mittlerweile um ein Jahr verzögert hat, und zu nicht unerheblichen Mehrkosten geführt hat. Mal ganz abgesehen von dem Imageverlust für die Stadt Marl.
Die Rathaussanierung geht voran, die immense Kostensteigerung ist mehr als bedauerlich, aber wohl unvermeidbar. Die besondere Bauweise unseres Rathauses, die dort verwendeten Materialien sowie Corona und der Ukraine-Krieg führten zu erheblichen Mehrkosten. Wer hier die Schuld bei den
Ausführenden, den Planer*innen oder bei der Politik sucht, sucht die Fehler an den falschen Stellen.
Wir haben hier versucht, an einigen Beispielen unsere Zustimmung zum Haushalt zu erklären und zu begründen. Wir müssen in diesem Jahr noch einmal die Chance ergreifen, die uns die schwarz-grüne Landesregierung maßgeblich ermöglicht hat, diesen genehmigungsfähigen Haushalt zu beschließen. Wohlwissend, dass es, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, dieses letztmalig der Fall sein wird.
Wie müssen sich die Rahmenbedingungen in Zukunft verändern? Wir fordern, dass die in den Koalitionsverträgen festgeschriebene Altschuldenregelung für die Kommunen endlich mit Taten gefüllt wird. Bündnis 90, CDU, SPD und FDP, haltet eure Versprechungen und werdet endlich tätig! Die Zeiten, in denen die Kommunen die Kosten für die von der Landes- und Bundesregierung eingeforderten hoheitlichen Aufgaben übernehmen konnten, sind längst vorbei.
Liebe Ampelkoalition, beschließt endlich eine gerechte Steuerpolitik, um die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Eine sogenannte „Reichensteuer“ ist mehr als überfällig, und auch andere Möglichkeiten zur Erhöhung der Steuereinnahmen müssen geprüft werden.
„Heute stehen wir vor dem Abgrund, morgen sind wir schon einen Schritt weiter“ heißt es in einem Sprichwort. Der drohende Abgrund ist für uns kein Grund, heute schon hineinzuspringen. Vielleicht ergeben sich ja noch Wege und Stege, um über diesen Abgrund hinweg zu kommen. Eine Ablehnung des
Haushaltes 2024 ist auf jeden Fall kein guter Weg und keine zukunftsträchtige Investition in unsere Stadt Marl.
Abschließend wollen wir uns noch einmal bei unserem langjährigen Stadtkämmerer Herrn Dinklage bedanken, bei seinen Mitarbeiter*innen und allen anderen in der Verwaltung, die bei der Aufstellung und Erläuterung dieses Haushaltes beteiligt waren. Die Zusammenarbeit und die Unterstützung waren wie immer sehr hilfreich, kooperativ und fruchtbar. Die Marler Grünen bedanken sich ausdrücklich und hoffen, dass mit vielen Beteiligten gemeinsam die schwierigen Zukunftsaufgaben dieser Stadt angegangen werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!