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Internationale Aufmerksamkeit für Jahnstadion

Amerikanische Professorin setzt sich für Erhalt ein

 

Professorin Dr. Susanna Schaller, PhD in City and Regional Planning, The City College of New York, CUNY unterstützt die BI zum Erhalt des Jahnstadions und des Jahnwaldes. In einen Brief an den Bürgermeister, an die Baudezernentin und an die zuständigen Stellen im Kreis und im Land NRW stellt sie die Besonderheiten des Jahnwaldes und des Stadions dar. Wir hoffen, dass diese erneute fachliche Unterstützung des Geländes endlich auch Gehör bei den LokalpolitikerInnen findet, die immer noch, trotz vielfältiger fachlicher Bedenken in Bezug auf Umweltschutz und Denkmalschutz die absurden Bebauungsabsichten eines großen Marler Investors unterstützen.

Lesen Sie den kompletten Brief:

 

Susanna Schaller, PhD, Cornell University, City & Regional Planning

Associate Professor, Urban Studies, Planning and Administration
585 West 214th Street, 6B
New York, NY 10034
s.f.schaller@gmail.com
Münster, 19.4.2022
Bürgermeister Werner Arndt
Bürgermeister Stadt Marl
Stadt Marl, Stadthaus 1,
Carl Duisbergstr.,
45772 Marl
Betrifft: Marl Kreis Recklinghausen
Stellungnahme zum Schutz und zur Sicherung des Gesamt-Areals Jahnwald,
Jahnstadion/Tribüne, benachbarte Realschule mit Gelände und Waldschule, im
innerstädtischen Quartier zwischen den Straßen: Otto Hue Str/Droste Hülshoff
Str/Hülsstr/Am Jahnstadion Gesamtfläche: ca. 7 – 8 ha.
Mit diesem Schreiben möchte ich begründen, das gesamte einzigartige Areal in Marl-Hüls:
Jahnwald mit dem Jahnstadium und Realschule samt Schulgelände und der Waldschule in
seinen Qualitäten und Potenzialen zu sichern und zu schützen.
Ich bin Professorin (Associate Professor in Urban Studies, Planning and Administration) und
Stadtplanerin in New York, lebe und arbeite aber als geborene Kölnerin in zwei Welten,
Deutschland und den USA. Als Stadtplanerin und in meiner Recherche (u.a. „Bauwelt“ in
2021) beschäftige ich mich mit der Nachhaltigen Flächennutzung im Städtebau, in dem die
kulturelle, wirtschaftliche, und soziale Nachhaltigkeit, im Zusammenspiel mit der Natur oder
der geplanten Naturlandschaft, eine große Rolle spielen.
Dieser Vorschlag bezieht sich auch auf die zukunftsorientierte und nachhaltige Konzeption
der „Grünplaner“ Mattern und Nagel, der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland. In Berlin-West an der TU wirkte Prof. Hermann Mattern, befreundet mit Prof.
Hans Scharoun. Aufgrund Scharouns engen Beziehungen ins Ruhrgebiet, beauftragte
Bürgermeister Rudolf Heiland, Mattern mit dem „Landschaftsaufbauplan Marl.“ Marl war
damals das Beispiel für die künftige Stadtentwicklung, unter dem Begriff der
„Stadtlandschaft“ im Ruhrgebiet. Hermann Mattern beauftragte für eine umfangreiche
Recherche seinen Oberassistenten Günter Nagel, der später Professor an der TU Hannover
wurde und bis zu seinem Tod 2020 die Entwicklungen in Marl genau verfolgte und die
Bebauung vom Jahnstadion und Jahnwald in zwei mir vorliegenden Briefen (von 2018 und
2020) an Bürgermeister Arndt deutlich kritisierte (diese Briefe dürften auch Ihnen vorliegen).
Die Grundlagen dieser Recherchen und Planungsvorschläge gingen in den
Grünordnungsrahmenplan der Stadt Marl von 2006 ein und wurden wohl in den in 2012 vom
Kreistag des Kreises Recklinghausen beschlossen Landschaftsplan Vestischer Höhenrücken
übernommen. Der Jahnwald samt Jahnstadion und Waldschule sind Teil dieses
Landschaftskonzeptes.
Das Areal mit dem Jahnwald und dem Jahnstadium sind nach wie vor ein zentrales Element
der Marler Stadtlandschaft, vergleichbar vielleicht damit wie der Central Park, der Inwood
Hill Park oder der Prospect Park in New York das soziale und sportliche Leben, sowie andere
Freizeitmöglichkeiten der Bewohner und das Stadtklima unterstützen. Als wichtiger Baustein
dieses neuen Ansatzes einer Stadtlandschaft integrierte das Areal Bebauung- und
Grünflächenplanung, ein Ansatz in Zeiten des Klimawandels wieder von ganz aktueller
Bedeutung.
Der Jahnwald ist ein sehr alter Wald mit Eichen und Buchen, mit einem Bestand, der zum
Teil 250 Jahre alt ist. Dieses Waldstück gehörte, wie mir erklärt wurde, zum früheren Heide-
Bauern-Dorf Hüls, bis eine expansive Stadtentwicklung mit dem Steinkohlebergbau Anfang
des 20. Jahrhunderts einsetzte. Im Rahmen dieser städtebaulichen Entwicklung, wurden von
den Planern und Politikern diese alten Waldbestände erhalten und in die Bebauungskonzepte
integriert. Die Bedeutung solcher Grünflächen innerhalbe der Bebauung, als soziale,
kulturelle Orte, sowie als Frischluftschneisen und Lungen der Stadt wurde damals bereits
erkannt. Heute schafft der Jahnwald einen thermischen Ausgleich für die Bewohnern, in
dieser klimatischbelasteten Umgebung, ermöglicht es der Sommerhitze auszuweichen, im
Freien Erholung zu finden, und dabei unter jahrhundertealten Bäumen ein anderes Zeitgefühl
zu erleben.
Das Jahnstadion, jedenfalls die Tribüne, als Denkmal zu schützen ist nach meiner
Information seit Juni 2021 in Diskussion. Ich verweise auf das Gutachten meiner Kollegin
Professorin Dr. Ingrid Krau (München), das Ihnen vorliegt. Die Anfänge des Jahnstadions an
der Otto Hue Strasse, als Bolz- und Fußballplatz, liegen fast 100 Jahre zurück. Zu der Zeit
hatte das Stadion, wie das Foto von 1926 zeigt, natürliche ebenerdige Übergänge zum
Jahnwald und war zugänglich von allen Seiten. In der Freizeit kamen Menschen – Eltern,
Kinder, Spieler und Zuschauer – damals wie heute zum Fußball- oder heute Baseballspiel.
Von hiesigen Erzählungen, erfuhr ich, dass das Jahnstadion und die dort spielenden
Mannschaften, mit der Unterstützung der benachbarten Zeche Auguste Victoria in Marl-Hüls,
einen gewissen Ruf erreichten. Die ehrenamtlich spielende Fußballmannschaft, stieg in den
1950er Jahren in die damalige Oberliga auf. Das Jahnstadion musste erweitert und
modernisiert werden.
Bürgermeister Rudolf Heiland beauftragte den bekannten Architekt Aribert Riege (Duisburg)
mit der Planung. Der Wald wurde dabei zum prägenden Gestaltungselement für den Entwurf.
Das Stadion wurde sechs Meter tiefer gelegt, so dass man den Jahnwald und die Waldschule
heute noch von den 25.000 Plätzen als eindrucksvolle Kulisse erlebt. Das Maraton-Tor, als
Hauptzugang zum Stadion, hat einen besonderen Charm, Flair und Charisma mit dem Wald
als Hintergrund. In den 1960er Jahren wurde hier großer europäischer Fußball gespielt.
Obwohl das Jahnstadion Anfang 2000 als Fußballstadion aufgegeben wurde, bespielt nun seit
Jahren (auf Grundlage kurzfristiger Nutzungsvereinbarungen mit der Stadt) der aktive Verein
Sly Dogs e.V. Baseball das Jahnstadion und richtet europaweit Turniere aus. Dadurch wurden
Marl und dieses Stadion wohl international bekannt, selbst wenn das Jahnstadion und die
Tribüne wegen des z.T. maroden Zustandes auch schon mal als „lost place“ bezeichnet
wurden. Durch eine Unterschutzstellung als Denkmal käme endlich Planungssicherheit ins
Stadion. Die Wiederherrichtung des Stadions ist angesagt. Das Stadion gewänne wieder die
verdiente Attraktivität und das gesamte Areal würde so auch einen Impuls für die
wirtschaftliche/touristische Entwicklung der Stadt Marl bedeuten.
Die Waldschule wurde ca. 1907 an der Hülsstrasse im Stil der späten Gründerzeit/ des
Jugendstils erbaut. Im Zuge des Bevölkerungswachstums wurde damals ein
Schulbauprogramm gestartet. Wie mir bei den örtlichen Recherchen versichert wurde, ist
diese vor ca. 10 Jahren als Schule aufgegebene und derzeit provisorisch mit Brettern
gesicherte Waldschule im Innern trocken und kann sogar umgehend wieder genutzt werden.
Noch immer beindruckt das Gebäude von außen mit seinen großen Fenstern und
Gliederungen in den Außenwänden. Die von Mauerwerk umrahmte, elegant wirkende
Freitreppe als Zugang, aus rotem Natur-Buntsandstein, steht nach meiner Information bereits
unter Denkmalschutz. „Licht, Luft und Sonne“ atmet die Architektur dieser Schule. Daneben
zur östlichen Seite ahnt man noch einen Schulgarten. Diese Schule hat ein erhebliches
Potential. Denkbar wäre Beispielsweise eine Nutzung als naturnahes pädagogisches und
soziales Zentrum für Kinder und Jugendliche, ein hoch aktuelles Thema im Zeichen der
Klimakrise!
Zum Beispiel, wurde mir erzählt, dass für die benachbarte Realschule in diesem Gesamt-
Areal sich der recht kleine Schulhof durch den Zusammenhang mit dem Jahnwald wunderbar
unter den alten Bäumen ausweitet und so eine einzigartige Situation darstellt. Während der
aktuellen Corona-Zeiten und im Blick auf bleibende/künftige pandämische Verhältnisse liegt
es auf der Hand, nachbarschaftlich das Jahnstadion für Sport und für Unterricht im Freien zu
nutzen, statt die Schüler mit Schulbussen in ein Sportstadion einige km entfernt zu
transportieren.
Günter Nagel, ehemaliger Professor an der TU Hannover, hat sich meines Wissens nach
zeitlebens um Marl gekümmert und in Schreiben den Bürgermeister daran erinnert, dass die
Stadt Marl die Verantwortung bezüglich der städtebaulichen und planerischen Relevanz des
Erhalts des ganzen Ensembles trägt. Und Professorin Dr. Ingrid Krau (München) warnt in
ihrem Manifest „Corona und die Städte: Suche nach einer neuen Normalität“ 2021(München:
oekom Verlag 2021) vor einer Überbauung und Verdichtung innerstädtische Grün- und
Waldbereiche.
Für unsre Zeit, von Corona und künftigen Pandämien beeinflusst und unter den rechtlich
sowie völkerrechtlich verbindlichen Klima-Ziel-Auflagen, bietet das gesamte innerstädtische
Areal mit der Realschule und Waldschule in diesem gewachsenen und vom Naturschutz
geschützten Jahnwald mit dem Jahnstadion eine einmalige Gelegenheit, ein 7 ha großes
Ensemble zu schützen. In einer vom Klimawandel geprägten Epoche, verbindet diese Areal
Freizeit, erlebnisreiches und experimentales Lernen und Gesundheit, Natur-Wald mit Tierund
Artenreichtum, und dient als „Lunge“ der Stadt, der immer wichtiger werdenden,
positiven thermischen Ausgleichsfunktion. Vor dem Hintergrund auch der einmaligen
Geschichte der nachhaltig konzipierten Grünordnungs-Landschaftsplanung in Marl seit den
späten 1950er Jahren ist es durchaus Erinnerungswert, dass im Oktober 1959 der Deutsche
Werkbund in Marl die bedeutende programmatische Konferenz gegen die große
Naturzerstörung abhielt (Prof. Walter Rossow, Prof. Hermann Mattern u.a.)
Ich bitte Sie dringlich dieses wichtige Areal und einzigartige Ensemble in seiner Gänze und
seinen Teilen mit allen Ihnen möglichen Instrumenten, Möglichkeiten und Zuständigkeiten
zu erhalten, nach ihrer originalen Konzeption zu revitalisieren, und zu schützen. Eine
Bebauung vom Jahnstadion und im Jahnwald leuchtet nicht ein. Verzeihen Sie bitte diesen
Vergleich: Bei uns in New York wäre es auch widersinnig, z.B. den Inwood Hill Park,
Prospect Park oder sogar den Central Park zu überbauen! Und wir würden uns dann freuen,
gegen solche widersinnigen Planungen Unterstützung von der internationalen Fachwelt zu
erhalten.
Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören.
Mit kollegialen Grüßen, Ihre
Susanna Schaller, PhD