Eine Anfrage der Friedhofsgärtnereien Gelsenkirchen (zuständig auch für Marl) FGG beantwortete unsere Bürgermeisterkandidatin Beate Kühnhenrich. Hier ihre Ausführungen:
Zu 1. Soziale Gerechtigkeit und Gebührenhöhe
Da die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland und auch ganz besonders in Marl immer weiter auseinander geht, ist es unabdingbar, dass Gebühren für Bestattungen auf städtischen Friedhöfen für alle Menschen bezahlbar sein müssen. Aufgrund der Haushaltslage und dem stetigen Willen, die städtische Verwaltung auch personell zu verkleinern, haben die öffentlichen Grünflächen und auch die Friedhöfe in den vergangenen Jahren einen erheblichen Aderlass erfahren. Gerade die Friedhöfe sind Orte, die neben der Bestattung auch Erholungsorte sind. Die Marler Friedhöfe befinden sich allesamt in einer ruhigen Lage, so dass diese Orte wichtig für die Natur, aber auch für die Menschen sind. Um die Friedhofsgebühren bezahlbar zu halten, setzen wir uns deutlich dafür ein, die ehemals groß geplanten Friedhöfe einer entsprechenden Veränderung zu unterziehen.
Leider ist es in der Vergangenheit in Marl zu einer vernachlässigten Pflege gekommen. Vieles soll angeblich leichter zu bearbeiten sein, kostensparender. Wir als Grüne in Marl werden künftig dafür Sorge tragen, dass größere Teile von Friedhöfen, die nicht reine Bestattungsflächen sind, als öffentliches Grün ausgewiesen werden. Der Aufenthaltscharakter der zum Teil großen Friedhofsflächen darf nicht zulasten von Bestattungsgebühren führen. Pflegeleichte Flächen sind nach unseren Vorstellungen aber keine kurz gemähten Rasenflächen, die bei immer trockener werdenden Sommern zu unansehnlichen Steppenflächen verkommen. Wir werden ein großes Augenmerk darauf legen, naturnahe Gehölzflächen und Landgraswiesen anzulegen, um so die Kosten zu senken und damit auch weitere Gebührenerhöhungen zu vermeiden, gegebenenfalls Gebühren zu senken. Jeder hat das gleiche Recht, würdig bestattet zu werden.
Zu 2.: Kulturerbe Friedhof
Friedhöfe sind ohne Zweifel Orte der Erinnerung und des Trostes und sollten unbedingt als lokale Identität gestärkt werden. Es wird nötig sein, Friedhöfe auch hinsichtlich ihrer Nutzung neu zu überdenken. Auf dem Hauptfriedhof in Marl an der Sickingmühler Straße ist eine neue Friedhofskapelle entstanden, die auch für kulturelle Veranstaltung genutzt werden soll. Dieses werden wir erheblich fördern. Friedhöfe sind immer stadtteilbezogen. Insofern sind sie immer auch in der Nähe der Wohnquartiere.
Lebendige Veranstaltungen wie Friedhofsführungen, Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden, Erläuterungen zur Pflege von Grabstätten, Musikveranstaltungen, aber auch das einfache Erklären der gärtnerischen Gestaltung der Grabstätten, sind im übertragenen Sinne auch Anleitungen für den Umgang mit Hausgärten. Auch hier werden wir in Kooperation gerne mit den ansässigen Friedhofsgärtnern entsprechende Veranstaltung durchführen und auch die einzelnen Bestattungsformen, die zum Kulturerbe gehören, erläutern.
Der Friedhof darf nicht zum Supermarkt werden, in dem günstige Bestattungsformen ohne viel Arbeit den Vorrang haben. Die Menschen in Deutschland haben noch nie so viel Freizeit gehabt wie im Moment. Deshalb bedarf es dringend der Erläuterung, wie auch mit geringen Pflegemitteln und einer entsprechenden Pflanzenauswahl, Grabstätten bepflanzt und erhalten werden können, um so unserem kulturellen Erbe gerecht zu werden.
Zu 3. Klimaschutz und Stadtklima
Es steht außer Frage, dass gerade die Hitzebelastung in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird. Gerade Friedhöfe sind in der Vergangenheit Gott sei Dank zumeist mit einem guten Baumbestand ausgerüstet worden. Dieser gilt dringend zu erhalten. Darüber hinaus müssten auch gerade auf Flächen, die nicht mehr als Bestattungsflächen gebraucht werden, weitere kühlende Elemente durch Neuanpflanzungen geschaffen werden. Die Planung, Pflege, Unterhaltung und die klimagerechte Ausgestaltung der Friedhöfe in Marl unterliegt leider nicht mehr dem klassischen Garten- und Friedhofsamt. Das ist in vielen anderen Städten leider auch so, so dass ähnlich wie in Marl die öffentlichen Grünflächen und Friedhöfe in ihrer Substanz erheblich gelitten haben.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass hier entsprechende Fachplaner und Unterhalter zukünftig Friedhöfe viel mehr in den Fokus nehmen. Friedhöfe gehören in die Stadtteile, mit gepflegtem Baumbestand und entsprechenden Unterpflanzungen, die als Rückzugsorte für Vögel und andere Tiere dienen und nicht kurzgemähter Rasen. Es müssen Vernetzungen der Friedhöfe über Radwege zu den Quartieren und anderen Grünanlagen als Netzwerk ausgebaut werden.
Zu 4. Artenvielfalt und Ökologie
Hier greift das eine in das andere. Auf Friedhöfen haben Tier- und Pflanzenarten deutlich bessere Entwicklungs- und Bestandsmöglichkeiten als im innerstädtischen Bereich. Der pfleglose Umgang mit Grünflächen im kommunalen Bereich ist leider Bestandteil unseres Zusammenlebens geworden. Bisher haben Friedhöfe davon noch erheblich profitiert, da ein entsprechend respektvoller Umgang stattfindet. Der Lebensraum für Tiere und Pflanzen ist hier also eigentlich auch noch besser gesichert als in öffentlichen Grünanlagen. Deshalb ist eine intensive Pflege des Rahmengrüns auf Friedhöfen nicht notwendig, sondern eine ökologische Ausgestaltung für Tiere und Pflanzen günstig. Dieses werden wir versuchen zu stärken und den Menschen auch zu veranschaulichen und zugänglich zu machen. Wie auch schon im Vorfeld dargestellt, indem Veranstaltung wie Führungen, Erläuterungen und anderes in Zukunft stattfinden sollen.
Zu 5.Transparenz und Beteiligung
Auch auf diese Frage bin ich im Vorfeld schon eingegangen. Bei der Stadtgesellschaft ist der Bezug zu Grün und Natur ein wenig verloren gegangen. Durch Beteiligungen wie die genannten Führungen, vielleicht auch die Einbindung von Schulen in Pflanzaktionen, muss das Bewusstsein wieder gestärkt werden. Der Friedhof bietet hierzu einen hervorragenden Raum. Da in der Regel durch Zäune und Tore begrenzt, ist dieses ein sicherer und auch geschützter Raum, in dem der Umgang mit Grün und Grabstelle den Menschen näher gebracht werden kann. Das muss sicher so transparent sein, dass es auch in den Quartieren ankommt. Eine Beteiligung der Bürger steht bei uns an vorderster Stelle. Hier ist in der Vergangenheit vieles falsch gelaufen und der Friedhof zu einem notwendigen Übel mit einer Vielzahl von Bestattungsformen geschaffen worden, die der Trauerkultur nicht gerecht geworden ist.
Zu 6. Förderung von Bestattungskultur
Ihre Fragen gehen alle ineinander über, und genauso müssen Friedhofsflächen auch gesehen werden. Es sind nicht reine Grünflächen, aber auch keine Bestattungsflächen, sondern es ist immer ein Gesamtpaket. Dazu muss gerade die Friedhofssatzung insofern verändert werden, dass viele Formen der Bestattung und der Ausgestaltung von Gräbern, die derzeit noch möglich sind, aufgehoben werden. Ein völliges Bedecken von Gräbern mit Grabplatten und der Einsatz von Schotterflächen auf Grabflächen dienen der weiteren Versiegelung und sind in Hinblick auf die derzeitige und kommende klimatische Veränderung in keiner Weise mehr tolerierbar. Die Friedhofssatzung muss also dahingehend geändert werden. Die Pflege und Betreuung der Bestattungsfläche darf sich nicht an Gebühren festmachen, sondern sie muss der Friedhofskultur würdig sein. Anonyme Bestattungen sollten nicht an Attraktivität gewinnen, indem man hier günstige Preise und Gebühren erhebt, sondern hier muss wieder mehr die Möglichkeit geschaffen werden, auch in Zusammenarbeit mit dem Friedhofsgärtner über den Tod hinaus zu gewährleisten, dass Verstorbene eine würdige Bestattungsfläche erhalten. Das heißt, dass anonyme Bestattungen die Ausnahme sein müssen. Friedhofskultur und Klimaanpassungsmaßnahmen dürfen nicht allesamt der „Geiz ist geil“-Methode unterliegen.