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Achtung Satire!

Ratssitzungen sind lang – oft zu lang, stundenlanges Diskutieren bei verbrauchter Luft, sich wiederholende Argumente machen müde. Da kann einen schon mal der Sekundenschlaf ereilen – so wie es mir in der letzten Ratssitzung passierte. Kurz eingenickt, aber glücklicherweise rechtzeitig zu unserem Antrag „Wiedererlangung des Titels Fahrradfreundliche Stadt“ wieder wachgeworden. Den Antrag noch etwas schlaftrunken, aber mit den wichtigsten Argumenten kurz begründet. Dann kamen die Gegenargumente, zuerst von rechts. Herr Alinaghi von der Fraktion für Marl sagte, dass er dem Fahrradverkehr an und für sich sehr positiv gegenüber stehe. Dabei beeindrucke ihn vor allem das Rechtsfahrgebot für Radfahrende. Trotzdem würde er den Antrag ablehnen, da es dem Radfahrer immer noch erlaubt sei, nach links abzubiegen. Außerdem störe ihn die Beleuchtung der Radverkehrsampeln. Die Farben grün und rot sehe er als einseitige politische Willenserklärung, er sei mit seinen Recherchen noch nicht so weit, vermute aber, dass Bürgermeister Werner Arndt für diese Farbengebung verantwortlich sei. Er habe den Fall schon der Kommunalaufsicht gemeldet.

Sein Kollege Herr Dechert machte deutlich, dass er schon vor 50 Jahren, also vor seiner Zeit als Juso Vorsitzender, Begründer der Rethmann Initiative und Begründer von Wir für Marl, Fahrrad gefahren wäre. Daher sei er erheblich kompetenter als die anderen Ratsmitglieder. Trotzdem unterstütze er seinen Kollegen Alinaghi und lehne diesen Propagandaantrag der Grünen ab.

Herr Heinze von der FDP führte aus, dass er grundsätzlich nicht gegen das Radfahren sei. Er sei sich allerdings nicht sicher, ob der Porsche-Konzern schon in das Fahrradgeschäft eingestiegen sei. Da für ihn grundsätzlich die Interessen der Wirtschaft Vorrang haben vor den Interessen irgendwelcher Fahrradfahrer, wolle er sich erst einmal bei seinem Kollegen Lindner erkundigen, welche Interessen der Porsche-Konzern vertritt.

Auch die CDU-Fraktion habe grundsätzlich nichts gegen Fahrradfahrer, so lange sie nicht in den Bewegungsradius der Autofahrer eingreifen. Sie forderten eine dreijährige Langzeitstudie um zu ergründen, inwieweit eine Fokussierung auf den Radverkehr die Interessen der Autofahrer beeinträchtige. Dabei seien Parkplätze genauso zu berücksichtigen wie Straßen, die in erster Linie dem Autofahrer zur Verfügung stehen.

Mir grauste – aber dann wurde ich endgültig wach! Gott sei Dank nur ein Traum!

Glücklicherweise wurde der Antrag in der echten Ratssitzung angenommen, und die Diskussion war erheblich sachlicher als in meinem (Alb-)Traum. Aber seien Sie doch mal ehrlich, ist die Satire nicht oft gar nicht so weit weg von der Wirklichkeit?

 

Johannes Westermann